Ich in die Supermarkt --> Der Hund sitzt links neben der Tür und sieht mich mit einer fehlgeleiteten Aufmerksamkeit an. Ich dränge mich an ihm vorbei, durch die sich langsam und ruckartig öffnenden Glastüren und eile an den Einkaufswagen vorbei durch das Sicherheitskreuz in die Obst- und Gemüseabteilung. Möhren, Tomaten, Orangen, Ausschläge, weiter zur Kühltheke. Kefir, keine Milch, Lachs? Ich entscheide mich dagegen und sehe für einen Augenblick die weitaufgerissenen Augen des Hundes vor mir, angefüllt mit dem Versprechen unaussprechlicher Möglichkeiten, um dann weiterzuschlittern an übelriechender Käsetheke und grünlich leuchtender Fleischtheke, ohne den Gesprächen links und rechts neben mir zu lauschen.

Der Gang mit den Alkoholika und Süssgetränken, flankiert von Chips und Nüssen liegt wie eine weitgeöffnete Aorta vor mir, und ich beginne gerade rein und auf die Kasse zuzurutschen, behangen mit Orangennetzen, Kefirbecher und rutschenden Weinflaschen, als ich mit einstweiliger Ungläubigkeit und einigem Missmut die bislang noch nicht mental registrierbaren Vorgänge an der Kasse wahrnehme. Langsam sickern die einzelnen Bilder in eine kleine Ereigniskette und schwappen an den Rand meines Bewusstseins, was bis dahin nur damit beschäftigt war, die Items auf dem vergessenen Einkaufszettel zu erinnern und dem Bewegungsapparat die wiederholte Botschaft, bloss nichts fallen zu lassen, zu vermitteln.

Sofort rutscht mir der Kefirbecher aus der Armbeuge und fällt platzend auf den Boden. Ich kann gerade noch den Wein stabilisieren, als die Tüte mit den Tomaten zackig hinter her springt. Niemand bemerkt das Eigenleben der Produkte, die, noch nicht von mir erstanden, ihr Recht auf autonom bestimmte Existenz noch einmal so richtig auszuleben scheinen. Niemand achtet darauf. Das ist alarmierend.

Die Ereignisse an der Kasse sind wohl nicht halluziniert. Ich sehe die Augen des Hundes vor mir, das letzte Mal, dann sehe ich die Waffe, auf die Kassiererin gerichtet, auf ihr blondiertes Haar und die darunter vorquellende rosa Kopfhaut, die im Neonlicht und in der allgemeinen Anspannung der Atmosphäre einen Spontanausschlag entwickelt, direkt unter dem Metall der Waffe.

An dem Metall hängt eine ähnlich farbige Hand an einem dunkel gekleideten Körper. Zwei Personen, ich denke mal, es sind Männer, mit merkwürdig vorgeschobenen Hüften und einem assoziativen Schwung in den Handgelenken (beide halten etwas, das nach 'Knarre' aussieht, in ihren zarten und bekleideten Händen), die Gesichter mit Masken bedeckt und die Haare frei in die Luft atmend, bedrohen die beiden Kassiererinen, die sich stoisch unter ihren Spiegeln und Preislisten in Schweigen hüllen. Das schnelle Atmen der beiden schweren Frauen vermischt sich mit dem ekstatisch aufgeladenen Atmen der jungen Männer, und wenn ich die Augen schliessen könnte, würden mir meine Gedanken durchgehen, also halte ich sie offen und auf die Orangen gerichtet, die noch nicht mir gehören, und heute wahrscheinlich auch nicht mehr die meinen in einer konventionellen Transaktion werden können.

Die Kasse wollen die Jungs, den Inhalt des Registriercomputers, und das ist Geld und Zettel, und Schecks und Papiernachweise vieler Kreditkartenzahlungen. Mir kommt der Gedanke, dass die beiden ein Drogen- oder Nervenproblem haben könnten, wer beklaut schon Supermärkte, und das macht sie mir so sympathisch. Fast beginne ich, unzüchtigen Tagträumereien nachzuhängen, doch dann fällt mir ein, dass die Situation anders bewältigt werden muss und ich werfe mich auf den Boden, in den Kefir und die Tomaten, unter mir Scherben und Orangenmatsch und falte meine Hände über den Kopf, in einer betenden Haltung mich irgendeiner Supermarktgottheit weihend, vielleicht Dr. Best, vielleicht dem Frischen Franzosen, auf ein Ende dieser Realität hoffend.

Eine halbe Stunde später ist alles vorbei. Ich sehe aus wie Schwein, muss aber für die mutwillige Produktzerstörung nichts zahlen und mich nur zehn Minuten mit Polizeipersonal kommunikativ bemühen mit der Option auf mehr. Ohne Orangen und Wein, aber mit einer Riesentüte für sechzig Pfennig, die ich im Chaos entwenden konnte, gehe ich im strömenden Regen zwei Blocks weiter zum nächsten Supermarkt.



Edeka. Was soll's.