Wo gestern um acht Uhr morgens nicht war --> Acht Uhr morgens und Freeze klopft an meine Zimmertür. Freeze kommt seit einiger Zeit nicht mehr in mein Zimmer, weil er zu dick geworden ist, um durch den Rahmen meiner Zimmertür zu passen. Weil er denkt, es störe mich, wenn er einfach so mit dem Türrahmen in mein Zimmer platzt. Weil er denkt, ich gehe hier drinnen meinen pubertären Bedürfnissen nach, vielleicht weil er denkt, ich sei jetzt in dem Alter. Ich drehe mich auf den Rücken und sauge meine Augen an der Zimmerdecke fest. Von draussen höre ich Freezes Stimme, die mir Anweisungen gibt: 'Junge steh' auf, es ist acht Uhr.' Dann höre ich meine Stimme, die vollautomatisch den erwünschten Antwortsatz abspult, schliesse daraufhin meine Augen und versuche zu rekonstruieren, was letzte Nacht passiert ist. Aber alles, was ich sehe, ist eine Packung Klopapier, die langsam auf dem Fliessband an der Kasse in Richtung der Kassiererin fährt. Ich weiss nicht mehr, wie sie heisst, die Kassiererin, aber ich weiss, dass sie weiss, dass das Klopapier, mit dem ich mir gestern Nacht den Mund verstopft habe, aus der Filiale stammt, in der sie jeden Tag tausend Dinge über den Scanner zieht. Ich weiss, dass sie weiss, dass ich mir mit dem Klopapier, dass ich bei ihr bezahlt habe, manchmal auch den Hintern wische.

Ich drehe mich auf die Seite, dann auf den Bauch. Ich spüre, wie mein ganzer Körper schmerzt, wehleidig vor sich hinheult und nicht aufstehen möchte. Freeze ist wieder an der Tür, um mich darauf hinzuweisen, dass es jetzt viertel nach Acht sei. Ich komme mir vor, als hätte ich ungewollt die Zeitansage angerufen und bekäme nun den Hörer nicht mehr von meinem Ohr los. Mit der Dame von der Zeitansage kann man nicht sprechen, versuche ich mich zu beruhigen, aber ich habe ja auch noch das Klopapier im Mund, und Freeze sagt, dass es jetzt viertel nach Acht sei. Ich sage nichts, weil das Klopapier alle meine Worte einsaugt, ein starrer, unbeweglicher Klumpen, genauso wie mein Körper. Ich versuche, mich an den Rand der Bettkante zu robben, um über den Rand der Bettkante zu schauen, auf die Uhr, vielleicht, vielleicht um zu sehen, ob Freeze, die Dame von der Zeitansage, mir keine Märchen erzählt, vielleicht um zu prüfen, ob es die Zeit überhaupt noch gibt, und ich höre, wie Freeze nun doch die Türklinke drückt, aber ich habe ja abgeschlossen, und ich bin ja jetzt am Rand der Bettkante angelangt, und also kann ich jetzt kotzen, ganz allein in meinem Zimmer, über die Bettkante meines Bettes hinüber, auf den Boden runter, mitten auf den Rest der Rolle Klopapier, das ich in der Filiale gekauft habe, in der die Kassiererin arbeitet, deren Name mir zwischenzeitlich eingefallen ist.

Am Frühstückstisch, an dem ich mir einen Teller Cornflakes reinwürge, damit Freeze nichts genaueres von mir wissen will, erinnert mich Freeze daran, dass ich heute nach der Schule noch schnell im Supermarkt vorbeigehen solle, weil das Klopapier schon wieder ausgegangen sei. Ich sage nichts, weil die Cornflakes den Kanal zu meiner Aussenwelt verstopfen, schaue statt dessen nach unten, auf meine Hose, und frage mich, ob ich mich eben, vorhin oder gestern Nacht bereits bekleckert habe.