In Vanitas Res I          
    Lena
Natürlich war es Lena, die mal wieder alles versaute. Obwohl gewisse andere Personen nicht schlecht im Rennen liegen, muss man doch sagen, dass Lena im Grunde genommen die grösste Schlampe von uns allen ist. Dabei ist es weniger die Quantität die zählt, als vielmehr ihre Art.

Ähnlich wie die Zeit, dehnt die Masse sich an unterschiedlichen Orten unterschiedlich schnell aus. So haben Franzis Schenkel mehr Masse als Ginas, während während Lenas Brüste grössere Körbchen benötigen als Sarahs, was für sich genommen noch nicht viel heisst. Auf die Art kommt es an und Lenas Art ist, da sind wir uns alle einig, wenn Lena, was oft vorkommt, nicht dabei ist, also ihre Art ist nämlich wirklich das letzte. Andauernd ist sie in Aufregung wegen Irgendeinem. Und obwohl jeder weiss, dass Lena eben eine alte Schlampe ist, ist sie die einzige die das nicht weiss.

Und so spielt sie wieder und wieder, so fünf- bis sechsmal im Jahr bestimmt, mit ermüdender Parallelität das gleiche Drama durch. Sie hat diesen und jenen in einer dieser grässlichen Bars in Mitte, in denen sie immer verkehrt, kennengelernt und ja, gevögelt haben sie auch schon und er hat dann nicht angerufen oder war besoffen und dann ruft sie an und er druckst rum und dann treffen sie sich nochmal und er macht ihr ein paar billige Komplimente, um ihr dann seinen schwierigen Charakter zu offenbaren. Lena findet immer so einen und bildet sich jedes mal wieder ein, der wär's und kein anderer.

Dabei sieht Lena eigentlich nicht mal so gut aus wie Sarah, die die Hässlichste ist. Aber Lena tut eine Menge für ihren Körper, der ja auch gefragt ist, leider meistens nur einmal.

Lena sucht sich ihre Männer nicht aus, sie wird selbst ausgesucht. Dann macht sie es auch nie, weil sie sich etwas davon verspricht, so wie Sarah, oder weil es ihr Spass macht, so wie Gina, sondern bloss, weil sie unbedingt einen haben will, der sie liebt. So wird das allerdings nie etwas werden und es fehlt nicht mehr viel, dann muss ich es ihr sagen weil es wirklich peinlich ist, wie sie sich benimmt. Sie redet auch nie schlecht über die, mit denen sie gerade was hat, erst immer danach und wenn das so weitergeht, dann haben wir bald keine Achtung mehr vor Lena, obwohl sie unsere Freundin ist.

Lenas eingebildete Zunkunft in diesem Moment heisst Jost und ist am Telefon. 'Es ist Jost', informiert sie uns, Hand auf der Sprechmuschel, und man kann ihr ansehen, dass sie vor Stolz darüber, einen zu haben, der anruft, bald zerplatzt, 'soll ich ihm sagen, dass er vorbeikommen kann?'

Sogar Sarah, die ihren Theo wirklich braucht, weiss, was in einem solchen Moment zu tun ist und zwar nicht nur, weil ein Mädelabend nicht umsonst so heisst, sondern weil sie eben auch weiss, dass man sich als Frau immer rar machen muss. Nur eben Lena weiss das nicht.

Und so kommt es dann, dass dieser Jost, der, glaube ich, in einer Werbeagentur arbeitet, bereits fünf Minuten später in der Tüt steht. Natürlich ist er vollkommen besoffen und sein Kumpel, den er gleich mitgebracht hat, auch.

Beide tragen kurze Haare, schwarze Anzüge und Turnschuhe. 'Na, Mädels...? Menstruiert ihr schön zusammen?'. Sie versuchen nicht einmal, charmant zu sein, sondern stürzen sich gleich auf unseren Vorrat, trinken den Vodka aus der Flasche und legen sich fingerdicke Lines ohne einen Moment daran zu zweifeln, dass wir nur noch auf sie gewartet haben.

Lena kriegt gleich so einen bestimmten Ausdruck in den Augen und setzt sich gleich auf Josts Schoss und er steckt ihr den Finger ins Ohr, dass sie quietscht, während er Gina zuzwinkert, die natürlich gleich wieder die Titten raushängen lässt und sich ein paar Krümel Koks vom Finger lutscht als wäre das der Schwanz von Long Dong Silver oder so. Der Kumpel, der wohl denkt, heute wäre sein Glückstag, stellt sich als Sebastian vor.

'Scheiss-Intellektuellen-Name', sage ich. Gina lacht und wendet sich gleich wieder Jost zu und fragt ihn irgendwas mit seiner Arbeit und sie schnupfen noch was zusammen und er erklärt ihr irgendwas, wobei er sich ihr ganz zuwendet und die leeren Zigarettenschachteln aufeinander türmt um irgendwas zu demonstrieren. Und Lena ist natürlich sauer, versucht, sich aber nichts anmerken zu lassen, indem sie Jost einen Drink im Glas anbietet, den er ihr aus der Hand nimmt, ohne sie anzuschauen. Gleich fängt ihre Unterlippe an zu zittern und wenn ich ihr nicht eine Pille in die Hand gedrückt hätte, hätte sie wahrscheinlich gleich losgeflennt, was ihr aussehen im Vergleich zu Gina nicht gerade verbessert hätte.

Ich wünsche mir einen rosaroten Trip mit Schnetterlingen, Blumen und so weiter. Franzi nützt das aus, um sich an diesen Sebastian ranzumachen. Reisst die Augen auf und erzählt irgendsoeine blöde Story, wie sie mal im Cocktailkleid bei McDonalds war. Er kontert mit einer ebenso absurden Geschichte, die irgendwas mit seinen Turnschuhen zu tun hat und Franzi möchte sich bald ausschütten vor Lachen, obwohl sie vorher nur rumgenölt hat. Sarah macht Schollmund und denkt sie ist was Besseres wegen ihrem doofen Theo.

Lena wird das mit Jost und Gina langsam zu bunt und behauptet auf einmal, ausgehen zu wollen, wobei sie damit angibt, einen bestimmten DJ zu kennen. Die Drogen beginnen zu wirken und die Küche dehnt sich, beult und wirft Blasen. Ungeahnter Aktionismus breitet sich aus, Hintergedanken an Unaussprechliches. Lippenstifte werden gezückt, Brüste gestrafft, Schlüssel gesucht und in Handtaschen geschmissen. 'Weiber', sagt Jost. 'Mädels', sagt Gina, 'wir sind Mädels'. Dann sind wir auf einmal draussen und es schneit in Echtzeit. Ich denke, die Polizei wird mich festnehmen wegen unerlaubten Besitzes eines verwirrten Verstandes. Ein Taxi hält. [...]