Warum ich auf der Highschool nie Cheerleaderin war          
    Es muss doch möglich sein, sich in der eigenen Wohnung einen gemütlichen Abend zu machen. 'Sie glauben ja gar nicht, wie wohl das tut, so herrlich entspannt und in Ruhe, sich einfach mal den schönen Dingen des Lebens widmen, sie wissen ja, Literatur, Kunst und all das, bla bla...', so oder ähnlich hörte ich erst neulich noch jemanden, ich glaube, ich war es selbst, die Vorzüge solch gemütlicher Abende schildern. Allein sein heisst schliesslich nicht einsam sein. Alleine ist man in bester Gesellschaft, pflege ich stets zu sagen. Mein Vorsatz steht, alle Weichen sind gestellt. Die Angst ist jetzt ganz weit weg. Ein gutes Buch, das ich Party-Bekanntschaften gerne empfehle und ich schon immer einmal lesen wollte, Bleistift und Papier, Spitzer, Radiergummi, eine Flasche Rotwein, so mittelteuer [8,99], Blättchen, eine Schachtel Zigaretten, Streichhölzer, ein Tütchen mit Gras und los gehts. Auch Weinglas und Korkenziehrer sind schnell herbeigeholt. Ach ja, der Aschenbecher. Alles ist griffbereit plaziert, auch die bequeme Sitzposition [Sofa, 2 Kissen, Füsse hoch] ist nach einigen Versuchen [Fussboden, Sessel] schnell gefunden. Ein bisschen kühl ist es, vielleicht hole ich mir noch eine Strickjacke. Jetzt gibt es keine Beschäftigung mehr, die noch verrichtet werden könnte. Musik könnte ich noch anmachen. ein bisschen Musik hören, ein kleiner Joint, ganz gemütlich.

Die Angst, die draussen ein bisschen herumgelaufen war und ein paar Passanten verfolgt hatte - eine Frau, die an diesem Morgen einen Knoten in ihrer Brust entdeckt hatte, einen Mann, dem man gesagt hatte, ein jüngerer würde künftig seine Position ausfüllen, ein paar Kinder, die über ihr interessantes Spiel, das mehreren Kleintieren das Leben gekostet hatte, die Zeit vergassen und sich nun, viel zu spät und mit schmutziger und zerrissener Kleidung auf den Heimweg machten - die Angst hatte nun genug von ihrem Ausflug und ging ebenfalls nach Hause. Immerhin war es inzwischen schon dunkel geworden.

Eine Tür schlägt zu. Die Angst ist zuhause.

Ich weiss, es war nur der Nachbar, aber es klang so nah und ging so irgendwie durch Mark und Bein. ich mache das Radio aus. Die Stille, die nun folgt, ist von Geräuschen erfüllt. Ich weiss, was diese Geräusche verursacht, dies ist ein altes Haus. Knackende Rohre, knarzende Dielen, tickende Uhren, schleichende Gespenster. Ich muss lachen: der Geist eines alten Stasi-Mitarbeiters vielleicht, in beiger Polyesterjacke, ewig verdammt dazu, an Türen zu lauschen und durch Briefschlitze zu spähen, auf der Suche nach kapitalistischem Gedankengut. Das Lachen klingt irgendwie blechern und als ich den Mund erschreckt wieder schliesse, hängt es im Raum wie der schale Zigarettenrauch. Mein Mund ist ausgetrocknet, der Wein sauer wie Essig. Ich muss pinkeln und merke, dass es unmöglich ist, das Wohnzimmer zu verlassen und ins Badezimmer zu gehen. Ich weiss, dass dort etwas auf mich lauert. Ein überlaufendes Waschbecken voller Blut. In welchem Film kam das vor? Ich kenne die Angst schon seit ich ein kleines Kind bin. Seitdem versuche ich, mir vorzustellen, wie sie wohl aussieht, wenn sie sich hervortraut aus ihren Winkeln und eines Nachts, wenn du aufwachst, auf deiner Bettkante sitzt. Meine Vorstellung von ihr wandelte sich in dem Masse, wie ihre Methoden subtiler wurden . War sie früher noch ein irgendwie plüschiges Monster mit Klauen, das unter dem Bett sass und dich fressen konnte, wurde sie in den letzten Jahren - sicherlich durch einschlägige Filme inspiriert - mehr und mehr zu einer blassen, hageren Gestalt mit überdimensional langen Armen und sehr grossen Händen, die leblos neben den Knien des Wesens baumeln.

Eine erwachsene Frau, die sich in die Hosen pinkelt, weil sie sich nicht traut, auf ihr eigenes Klo zu gehen. Das ist doch lächerlich.

Du gehst hin, machst die Tür auf, das Licht an, gehst über den Flur zum Klo. Kein Problem.

Kennt ihr diesen Film von der Babysitterin und da ruft immer einer an und sagt: schau nach den Kindern und sie macht das aber natürlich nicht, weil sie ne faule Schlampe ist und nur mit ihrem tierisch süssen American Football Highschool Teamcaptain Freund auf'm Sofa vögeln will. Sie ist nämlich Cheerleaderin. Und der ruft immer wieder an und sagt: schau nach den Kindern und dann wird's ihr doch ein bissi mulmig und dann ruft sie die Bullen an und die machen eine Fangschaltung und kommen gleich an und sagen, sie muss sofort raus aus dem Haus weil der Typ, der immer anruft, sitzt im selben Haus im Kinderzimmer und hat schon alle Kinder, auf die sie aufpassen sollte inklusive den Football Teamcaptain abgemurkst. So was gibt's nämlich in echt gar nicht.

Es ist nur die Angst, nicht etwa Jack Nicholson in 'Shining'. Der ganze Abend hat sich verengt auf diese eine Mission, die es zu schaffen gilt, will man sein Leben weiterleben.

Und schliesslich bist du dann doch noch aufs Klo gegangen und hast das Fenster aufgemacht und draussen im Weltall ist ein kleines Ufo vorbeigeflogen mit einem kleinen Männchen drin und das hat sich gedacht: das muss aber sehr schön sein, auf diesem hübschen Planeten zu wohnen, der so klein ist und so blau und sich dreht.