Aus: I, Claudius          
  Germanicus war immer sehr abergläubisch gewesen, wie jedes Mitglied der Familie ausser mir: ich bin nur etwas abergläubisch. Germanicus glaubte nicht nur an die glück- oder unglückbringende Eigenschaften gewisser Tage oder Omen, sondern er bewegte sich in einem Netz seiner eigenen Abergläubigkeit. Die Zahl 17 und der mitternächtliche Hahnenschrei beunruhigten ihn am meisten. [...] Und er hatte fürchterliche Angst vor der schwarzen Magie Thessalischer Hexen, und er schlief immer mit einem Talisman unter dem Kissen, der ihn vor diesen beschützte: eine grüne Jadefigur der Göttin Hekate [die einzige Macht über Hexen und Phantome] mit einer Fackel in der einen Hand und den Schlüsseln zur Unterwelt in der anderen.

Da er Plancina verdächtigte, ihn zu verhexen - sie hatte den Ruf, eine Hexe zu sein -, brachte er Hekate ein Besänftigungsopfer von neun schwarzen Welpen dar, wie es sich gehört, wenn man so geplagt wird. Am nächsten Tag berichtete ihm ein Sklave mit einem angstverzerrten Gesicht, er habe, als er den Boden im Flur wusch, eine lockere Fliese bemerkt, und als er diese hochhob, etwas gefunden, das so aussah wie die Leiche eines Babys mit rotgefärbtem Bauch und Hörnern, die an die Stirn gebunden waren. Sofort wurde jedes Zimmer durchsucht, und ein Dutzend ähnlich schauriger Funde unter den Fliesen oder in Wandnischen hinter Vorhängen gemacht. Dazu gehörten die Leichen einer Katze, aus deren Rücken rudimentäre Flügel gewachsen waren, und der Kopf eines Negers, aus dessen Mund eine Kinderhand ragte. Bei jedem dieser furchtbaren Relikte war eine Eisentafel, auf der Germanicus' Name stand. Das Haus wurde rituell gereinigt, und Germanicus begann es besser zu gehen, obwohl sein Magen ihm weiterhin Schwierigkeiten machte.

Kurz darauf begann es, im Haus zu spuken. Man fand Hahnfedern in Blut getunkt unter Kissen und unglücksbringende Zeichen, die auf die Wand in Kreide geschrieben ware - manchmal so niedrig, als hätte ein Zwerg sie geschrieben, manchmal so hoch, als seien sie von einem Riesen - ein Gehängter, das Wort 'Rom' auf dem Kopf, ein Wiesel und, obwohl nur Agrippina seinen Aberglauben, was die Zahl 17 angeht, kannte, tauchte diese Ziffer ständig auf. Dann erschien der Name Germanicus', auf dem Kopf geschrieben und jeden Tag um einen Buchstaben kürzer. [...]

Mitten in der Nacht, als nur noch drei Buchstaben von seinem Namen übrig waren, erwachte Germanicus von einem Hahnenschrei. So schwach, wie er war, sprang er aus dem Bett, griff nach seinem Schwert und rannte ins Zimmer, wo Caligula und das Baby Lesbia schliefen. Dort sah er einen grossen, schwarzen Hahn mit einem Goldring um den Hals, der krähte, als wolle er die Toten wecken. Germanicus versuchte, ihm den Kopf abzuschlagen, aber der Hahn flog aus dem Fenster. Er wurde ohnmächtig. Agrippina schaffte es, ihn irgendwie zurück in sein Bett zu bringen, doch als er wieder zu sich kam, sagte er ihr, er sei verdammt.

[...] Er starb am 9. Oktober, an dem Tag, als nur noch der Buchstabe G auf der seinem Bett gegenüberliegenden Wand erschien, und am siebzehnten Tag seiner Krankheit. Sein ausgezehrter Leib wurde auf dem Marktplatz von Antiochia aufgebahrt, so dass alle den roten Ausschlag auf seinem Bauch und seine blauen Nägel sehen konnten.