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Remix1: Der Sakralkönig - Matthew Barney Remix
Das letzte Mal rauchte Ursula Andress im Budapester Schloss. Dort hatte sie zwar ihre Pflanze nicht dabei - sie hatte bisher noch jeden einzelnen Zug mit dieser Pflanze geteilt, weswegen sie dort im Schloss auch ein verflucht schlechtes Gewissen hatte - aber es war auch das einzige Mal, dass sie den Drang zu singen irgendwie bekämpfen musste. Sie fühlte sich nicht wohl auf dem schweren goldenen Thron, die dunkelrote Samtrobe hing lästig halb auf ihren Schultern, halb auf ihren immer müder werdenden Oberarmen und das Schlimmste war, sie sah ihn kommen, ohne die Augen öffnen zu müssen. Nur wenn sie nicht sang, würde er noch ein wenig warten. Sie inhalierte tief, sog den schon halb die Luftröhre hochgegurgelten Gesang weit in die Lungen zurück.
Ihr Verhängnis war das letzte Wort des Gesangs. Es hing noch halb in der Röhre, als sie den nächsten Zug nahm. Sie verschluckte sich und 'share my dream' hustete bis in die andere Ecke des prunkvollen Saales.
Schon war er dort und kam dem letzten Röcheln entgegen. Ein wenig aus den Bronchien gelöster Schleim hing noch an Ursulas unterer Lippe, während er schon seine in Hufe gepresste Klumpfüsse auf ihren Schenkeln plazierte, sein Becken weit nach vorne ausbalancierte, so dass sie sehr genau, zu genau, sehen konnte, musste, wie sein seltsames Geschlecht zwischen den Beinen hindurch nach hinten gebunden war. Der enge weisse Plastikslip verbarg nichts. Pulsierende Adern an den um den gezogenen Schwanz geschwollenen Hoden. Sie riss den Kopf nach hinten, nur um in seinem schiefen Grinsen unter den mächtigen Hörnern auf der Stirn zu enden. Er streckte seine Hand aus und legte sie -
Wie immer waren sie zu spät und dennoch blieben sie im Auto sitzen. Sie wussten nicht, ob es schon so spät war, dass man nicht mehr auffiel.
Ich gleite durch Räume, die aufhören, Räume zu sein. Park ist an meiner Seite. An der nicht zerfliessenden. Park muss dort sein, ich löse mich sonst auf. Park hält mich, auch wenn er die Stiefel wechselt. Alle drei Schritte. Jetzt die hohen goldenen, dann die kleinen roten. Stilettos. Park bewegt sich schnell. Vor und zurück. Ich halte ihn, umfliesse ihn. Er hat wieder die hohen Stiefel an. Gold.
Ich bemerke erst Parks Fehlen, als der Wagen über mich rollt. Das würde nicht passieren, wenn er noch hier wäre. Ausserdem hat er die Autoschlüssel.
Jetzt ist es also geschehen, die Hörner haben ihn. Der Stiefel wegen. Sie werden ihn in den Wald schleppen, auf einen Baumstumpf setzen, ihm die Stiefel ausziehen und ihn dann dort verhungern lassen. Ich muss ihn retten, muss dorthin, ihn finden. Die Hörner werden ihn fesseln, ausziehen, Steinkreise um ihn ziehen, sie werden ihn lächelnd umtanzen, sie werden ihr Feuer mit ihm schüren, seine stiefellosen Füsse ankokeln, ihn auf kleiner Flamme rösten und zum Abendessen servieren. Ich muss dort sein.
Der Weg ist beschwerlich, wenn man fliesst und gerade überfahren wurde, aber ich bin richtig, immer den roten Pflastersteinen nach, immer tiefer in den Wald, immer dunkler, immer mehr Gestrüpp, das sich in den Weg wirft, das mich am Fliessen hindern will, immer weiter, mich zusammenreissend, ein Tänzeln hinter mir herziehend, die Blutspur, der Kopf, an der Seite herunterhängend, Gnome zertretend, stinkende Pilze direkt vor meiner Nase, Schnecken, so gross wie Park, Park, dort.
Der Tanz tritt zurück und ich betrete den Kreis, eingeholt von meinem Tänzeln. Die Stiefel habe ich schon an. Kein Blick auf ihr glänzendes Gold. Park sieht es. Ich lächle und lasse meine Hand vorschnellen -
Immer wenn ich geraucht habe, muss ich kotzen. Natürlich nur, wenn die Pflanze nicht da war. Aber ich bin froh, dass es das erste Mal war und ich werde es nie wieder tun. Das ganze Waschbecken ist voller Blut. Eklig sieht es aus, aber es lässt sich nicht wegspülen. Hoffentlich kommt hier niemand herein, solange ich noch versuche, die Scheisse zu beseitigen. Der Metallkleiderbügel ist auch schon im Abfluss stecken geblieben. Wenn mir nicht immer noch so übel wäre, müsste ich lachen. Es stinkt bestialisch, aber die zwei da drüben lachen trotzdem. Wie sind die hereingekommen, so wie die sich an den Händen halten, hätte ich sie sehen müssen. Ich sollte dringend schlafen gehen, aber draussen wartet immer noch der Gestiefelte oder sitzt er schon da hinten bei dem Gelächter. Ich wage nicht mehr, mich umzusehen, die Stiefel, gold, waren schon wieder zu nahe an meinen Augenwinkeln.
Als Bodice den Waschraum endlich verlässt - sie hatte im Angesicht des vollgekotzten Waschbeckens [Blut] erst gelacht und sich dann fast übergeben - war Ursula schon lange mit den Stiefeln über alle Berge. Park war ihr noch ein Stück gefolgt, gab dann aber schnell auf. Sie würden sich sowieso zuhause alle wieder treffen, neben der Pflanze liegen, rauchen und auf den Sakralkönig warten, der seine Gunst leider immer nur einem erweisen konnte.
Heute aber war der Sakralkönig der erste neben der Pflanze. Bodice stand wie angewurzelt in der offenen Tür, blickte auf seine goldenen Stiefel, sah ihn Rauchen und konnte einfach nicht weiter hinein gehen in den Raum, in dem jetzt die Angst zuhause war. Sie wartete auf die anderen, von denen sie wusste, dass sie nie kommen würden, nicht solange sie hier stand. Sie versuchte, ihre Hand auszu - |
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Nachdem Josef Stalin seinen Magen in das Waschbecken gelegt hatte, ritt er in den Sonnenuntergang oder: Der Sakralkönig - Frank Trebbin und die Angst sitzt neben Dir Remix
Die Pflanze liebte mich. Ich wusste es, seit ich zum ersten Mal mit ihr geraucht hatte. Am Anfang hatte ich noch den Verdacht, dass es nur an Bodices gutem Selbstgezüchteten lag. Aber auch später, als ich schon lange nichts mehr von Bodice gehört hatte und mir nur noch das billige Zeug von um die Ecke leisten konnte, genoss es die Pflanze immens, mit mir zu rauchen. Sie sollte einen Namen haben, beschloss ich damals, und nannte sie Park, wenn ich das Haus nicht verlassen wollte, Bodice wenn ich richtig breit war und Sakralkönig in meinen Alpträumen. Aber auch die Pflanze hatte Namen für mich. Sie sagte Park zu mir, wenn wir uns um die Stiefel stritten, Bodice, wenn sie mich gut leiden konnte und Josef Stalin, wenn sie der Meinung war, ich würde sie zu wenig giessen. Es ist offensichtlich, dass Park und Bodice ein gutes Verhältnis zueinander hatten, auch wenn sie manchmal stritten - es ging immer nur um die Stiefel - und Josef Stalin und der Sakralkönig sich nicht gut leiden konnten. Sie hassten sich geradezu. Dabei war ich immer guten Willens und hielt Park und Bodice aus meinen Alpträumen heraus. Aber der Sakralkönig verzeiht nicht. Er ist keine gnadenspendende Gestalt. Ich machte ihm nicht einmal einen Vorwurf, wenn er meine Stiefel trug. Als Lohn dafür erhielt ich die Anklage, ihn in ein Arbeitslager in Sibirien gesteckt zu haben. Er trug es mir lange nach, dass ich ihn nicht mit zu jener Party genommen hatte, dass ich dort ohne ihn geraucht hatte, dass ich nicht einmal gefragt hatte, ob ich meine Stiefel tragen könne, und dass ich zu allem Überfluss mit Park nach Hause kam, der mich Bodice nannte, zum Frühstück Park zu mir sagte und dann einfach wieder ging. Vielleicht war es ein Fehler, Park Bodice zu nennen zum Frühstück und Park in der Nacht und nur den Sakralkönig auszusparen. Er nannte mich nur noch Stalin danach, und was ich auch versuchte, wir vertrugen uns nicht mehr. Ich begann, nicht mehr nach Hause zu wollen, später dann nicht mehr nach Hause zu kommen. Schliesslich wartete er immer schon und trieb dann seine Spiele mit mir. Ich versuchte es noch einmal mit dem allerletzten Rest von Bodices Selbstgezüchtetem, den ich mir für eine ganz besondere Gelegenheit aufbewahrt hatte. Ich nannte ihn wieder sie, dann Bodice, sie sagte auch Bodice, ich sagte Park, sie führte mich in den Wald, den Wald mit dem Waschbecken, in dem wir unsere innigsten Stunden erlebt hatten. Ich sagte Park, weil ich glücklich war und die Stiefel tragen wollte, er antwortete mit Park, weil er die Stiefel nicht ausziehen mochte und drohte, den Sakralkönig zu rufen. Wenn ich gewusst hätte, dass der Sakralkönig schon da war, lächelnd hinter mir stand und seine Hand nach mir ausstreckte, wäre es wohl anders gekommen, als es kam. Wir waren plötzlich zu dritt: Bodice, Park und ich und die Rollen waren klar verteilt. Ich war der Sakralkönig, ich hatte die Stiefel an, ich tänzelte vor und zurück, reckte mein steifes, schildartiges Becken wie zum Kampf nach vorne, zog den linken Fuss nach, spürte die klumpigen Füsse schmerzen, fror am ganzen nackten Körper, und meine Hände schnellten vor. Ob ich Bodice oder Park zuerst auf meine Hörner spiesste, weiss ich nicht mehr, ich spüre nur immer noch ihre Körper sich auf meiner Stirn verteilen. Langsam glitten ihre Eingeweide über mein Gesicht, die Därme entfalteten sich und liessen stinkenden Schleim in meinen Ohren zurück. Es war nicht einmal besonders eklig, nur warm und dickflüssig-klumpig. Später, als das Blut gerann, klebte ich völlig mit Bodices und Parks Resten zusammen. Ich weiss auch nicht mehr, wie lange ich so im Waschbecken sass, auf jeden Fall aber liess ich meinen Magen dort zurück, bevor ich ging. Als Opfer. Für die Pflanze. Sie würde da sein, wenn ich nach Hause ging, und wir würden wieder gemeinsam rauchen. Zuerst aber werde ich den Sonnenuntergang fragen, wo die Angst wohnt. |
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